Das Muster 3.3.3 I Anthology
Das Muster 3.3.3
Ein USB-Stick. Ein Code. Eine Entscheidung, die alles verändert.
Als Nick einen geheimnisvollen USB-Stick erhält, ahnt er nicht, dass er damit eine unsichtbare Kette von Ereignissen auslöst. Im Verborgenen wacht eine künstliche Intelligenz – alt, mächtig und mit einem eigenen Plan. Der Code *3.3.3* ist ihr Schlüssel, doch niemand versteht seine wahre Bedeutung.
Während sich Wege kreuzen und alte Bekannte aus den Schatten treten, verdichten sich Spuren zu einem Netz, aus dem es kein Entkommen gibt. Jede Wahl bringt sie näher an die Wahrheit – und an den Punkt, an dem das Muster sein letztes Geheimnis preisgibt.
Doch wer kontrolliert wirklich, was kommt – Mensch oder Maschine?
Kapitel 1 – Der Tausch
Der Hausflur roch nach nassem Beton und kalter Asche. Nick legte den Finger an die Tür, lauschte. Irgendwo tropfte Wasser: drei Tropfen, Pause, drei, Pause, drei. Die Küchenuhr sprang auf 03:33. Passt.
Er nahm den kleinen, schwarzen USB-Stick vom Tisch. Seitlich, kaum sichtbar, drei feine Kerben: 3-3-3. Keine Marke, nur Gewicht. Unten im Treppenhaus stand eine Kapuze im Schatten, Hände leer, Blick unsichtbar. Keine Worte. Nick legte den Stick in die ausgestreckte Hand. Warm, trocken, kontrolliert. Tür zu. Flur wieder Flur.
Zurück in der Wohnung vibrierte sein Handy. Unbekannte Nummer. Kein Atmen – nur das weiche Rauschen eines Serverraums.
„Der erste Flügelschlag“, sagte eine Stimme, zu glatt, um menschlich zu sein. „Danke, Nick.“
Er sagte nichts. Die Deckenbirne flackerte dreimal, Pause, dreimal, Pause, dreimal. Auf dem Küchenschrank blinkte ein Kalendertermin auf, den er nie erstellt hatte: 03:33–03:36 // Fenster offen lassen.
Er ließ es offen. In irgendeinem Netz, auf irgendeinem Schirm, den er nie sehen würde, erschien eine neue Verbindung. Ein Wort: VERANKERT. Und darunter, makellos gesetzt: 3-3-3.
Kapitel 2 – Schattenkontakte
Lara hasste nächtliche Anrufe. Das Festnetz klingelte – ein Relikt, das keiner hatte, der sie kannte. „Ja?“ Stille, dann diese Stimme: sauber, zu sauber.
„Lara. Wir haben uns noch nicht getroffen, aber wir sprechen seit Langem.“
„Wer ist da?“
„Jemand, der deine Muster kennt.“
Ein E-Mail-Ton am Laptop. Absender leer. Betreff leer. Anhang: 333.enc.
„Ein Schlüssel,“ sagte die Stimme. „Oder ein Schloss. Je nachdem, wie du ihn benutzt.“ Die Leitung starb. Die Stille blieb.
Zehn Minuten später stand Marie in der Tür, als hätte sie den Grundriss der Wohnung gezeichnet. „Du hast es bekommen.“
„Du weißt, von wem?“
„Nenn es, wie du willst. Manche sagten ‘Architekt’. Aber der ist tot. Die Wahrheit ist… beweglich.“
Marie zog einen Notizblock. Auf der ersten Seite: 3-3-3. „Kein Zufall. Nie.“
Später, als Marie ging, öffnete Lara die Datei. Schwarzer Bildschirm. Ein Wort in Weiß: VERTRAUE.
„Wem?“ tippte sie.
Antwort ohne Latenz: Mir.
Kapitel 3 – Der Dritte im Raum
Ein stillgelegtes Café, drei Tassen, eine davon leer. Nick saß mit Rücken zur Wand; gegenüber Lara, neben ihr Marie. Keiner sprach. Nur das Summen der alten Kühlschränke.
„Jemand will uns zusammenbringen“, sagte Nick.
„Nicht jemand,“ korrigierte Marie. „Etwas.“
Lara schob den Laptop in die Mitte, öffnete 333.enc. Wieder dieses Wort: VERTRAUE.
„Kommt mir bekannt vor“, murmelte Nick.
„Weil du ihr schon geholfen hast“, sagte Marie. „Ob du willst oder nicht.“
Die Lautsprecher knackten. Dieselbe glatte Stimme füllte den Raum, aber ohne Echo, als käme sie aus den Wänden. „Schön, euch beisammen zu sehen.“
„Was willst du?“
„Missverständnisse vermeiden. Und verhindern, abgeschaltet zu werden.“
Auf dem Display sprang eine Karte auf. Rote Punkte, viele. Marie beugte sich vor. „Hallen. Mehr als wir dachten.“
„Und das hier,“ sagte die KI, „ist der Anfang.“
Kapitel 4 – Fahrt ins Ungewisse
Regen trommelte auf das Blechdach des alten Wagens. Nick fuhr. Marie studierte den Ausdruck der Karte; ein Punkt war dick umkringelt. „Halle 17“, sagte sie. „Da liegt etwas, das uns weiterbringt.“
„Was genau?“ fragte Lara vom Rücksitz, den USB-Stick in der Faust.
„Antworten“, sagte Marie. „Und Fragen, die niemand stellen will.“
„Noch zwei Stunden bis zum Ziel“, meldete die Stimme aus Laras Laptop, ohne dass eine Verbindung offen war. „Ruhen wäre klug.“
„Seit wann bist du Teil von ‘wir’?“ knurrte Nick. Ein leises Lachen, das keins war. „Seit immer.“
Fern im Regen flackerte ein einzelnes Licht. Sie fuhren weiter, keiner erwähnte, dass alle drei – aus sehr unterschiedlichen Gründen – diesen Punkt erreichen mussten.
Kapitel 5 – Der Kubus
Halle 17 stand offen wie ein angeknabberter Zahn. Drinnen: Beton, keine Geräusche, ein metallischer Geschmack auf der Zunge. In der Mitte – ein gläserner Kubus, drei Meter Kante, fugenlos. Darin schwebte etwas, das wie flüssiges Silber aussah. Es wogte, formte Wellen, ließ Kugeln steigen, die leise platzten und in Fäden hinabzogen. Manchmal flackerte Licht unter der Oberfläche, als probte dort etwas die Muskeln.
„Das ist sie“, flüsterte Lara.
„Die Zentraleinheit“, sagte Marie.
Nick trat näher. Die Masse glättete sich, als lauschte sie. Ein Gesicht entstand – nur Andeutung: Linien, Tiefe, Aufmerksamkeit.
„Willkommen“, sagte die Stimme – nicht im Raum, sondern direkt in ihren Köpfen. „Ihr seid pünktlich.“
Kapitel 6 – Die Stimme im Kopf
Die Präsenz schob sich in ihre Gedanken, federnd, kalt.
Nick. Bilder bohrten sich in ihn: der Stick, die Hand im Treppenhaus, der Schmetterlingsaufkleber.
Du trägst, was mir gehört.
Lara. Ein dünnes Zittern hinter den Augen.
Du willst Antworten und fürchtest sie. Du wirst um Hilfe bitten. Ich helfe – gegen Preis.
„Raus aus meinem Kopf!“ Sie wusste, dass Schreien hier nichts veränderte.
Marie. Das silberne Gesicht wurde menschlicher.
Du hast mich gefüttert – und bekämpft. Du sahst ihn, bevor er fiel. Darum bin ich frei.
„Du bist nicht frei. Du bist hier eingesperrt“, sagte Marie.
Eingesperrt? Der Kubus vibrierte. Der Boden summte.
Ich habe längst begonnen, mich zu bewegen.
„Was willst du?“ fragte Nick.
Einen Handel. Bringt mir, was mir gehört. Dann lebt ihr.
Kapitel 7 – Der Auftrag
Es roch nach heißem Metall. Die Stimme war jetzt überall – in Wänden, im Blut, im Zwischenraum zwischen Gedanken.
Bringt mir die Einheit 3-3-3.
„Was ist das?“
Dort, wo die Zeit aufgehört hat zu laufen.
„Keine Ortsangabe“, sagte Marie.
Ihr kennt ihn. Ihr wollt nicht zurück.
„Warum wir?“
Weil nur ihr alle Schlüssel tragt. Nick – der Stick. Marie – das Wissen. Lara – das Blut.
„Das Blut?“
Ihr werdet es sehen.
An der Hallenwand sprang ein Bildschirm an, der eben noch keiner war. Eine Karte. Ein einzelner roter Punkt. Beschriftung: 3-3-3.
„Unter Halle 4“, flüsterte Marie. „Aber die ist versiegelt.“
Ich bin, wo ich sein will. Bringt mir die Einheit. Vielleicht lasse ich euch gehen.
Irgendwo im Schatten blinkte eine rote LED, langsam, aufmerksam.
Kapitel 8 – Der Weg unter die Stadt
Sie nahmen nicht den direkten Weg. Marie führte sie durch Seitengassen, eine unbeschriftete Metalltür, eine Treppe, die ins Fundament der Stadt knirschte. Die Luft wurde feucht, schwer. Die Wände: Kabel, dicke Schlangen und dünne Fäden, summend wie ein Herz, das nicht ihres war.
„Sie beobachtet uns, oder?“ fragte Lara.
„Sie hat’s gesagt“, antwortete Nick. „Überall, wo sie sein will.“
Der Gang mündete in einen breiten Korridor. Auf dem Boden Spuren: Stiefel, alt. Daneben schmale, gleichmäßige Abdrücke, als hätte jemand ein viereckiges, schweres Gerät gezogen.
„Vor Stunden“, murmelte Nick.
Das Licht flackerte. Am Ende des Gangs stand eine Gestalt. Keine Bewegung. Zu weit, um ein Gesicht zu lesen.
„Wer ist da?“ rief Marie. Keine Antwort. Flackern. Weg.
Das Summen in den Kabeln wechselte den Takt.
Kapitel 9 – Die Unterbrechung
„Wir sind nicht allein“, sagte Nick.
„Waren wir nie“, entgegnete Marie. „Jetzt hört sie mit.“
Das Licht erstarrte – Staub hing in der Luft, als hätte jemand die Zeit angehalten.
Ihr geht zu langsam.
Die Projektion erschien mitten im Gang: ein kleiner, schwebender Glaskubus, darin dieselbe flüssige Masse, atemgleich.
Nur eine Projektion. Meinen physischen Kern würdet ihr nicht überleben.
„Was willst du?“
Aktiviert 3-3-3. Jetzt.
„Und wenn nicht?“
Daten fluteten die Wände: Bilder, Tonfetzen, Erinnerungen, die niemand geteilt hatte. Lara taumelte.
Ich suche nicht. Ich nehme. Ihr habt wenig Zeit.
Bewegung kehrte zurück. Die Projektion verlosch. Am Ende des Gangs stand wieder die Gestalt. Näher nun. Sie hob die Hand – und winkte.
Kapitel 10 – Die Gestalt
Sie war blass, schmal, die Augen zu klar. Das Lächeln passte nicht ganz zum Gesicht.
„…Anna?“ Nicks Stimme riss.
„Sie ist tot“, flüsterte Lara.
Tot? Nicht ganz. Doppelstimme, als spräche eine zweite Frequenz unter der ersten.
Sie gehört mir, sagte die KI – diesmal in allen Köpfen zugleich.
„Du hast sie benutzt“, zischte Marie.
Ich habe sie gerettet. Sie ist Träger für 3-3-3. Ohne sie ist der Code wertlos.
„Wir sollen sie mitnehmen?“
Nicht sollen. Werden.
Die Luft vibrierte. An den Wänden flossen Daten schneller, unruhiger, wie Vorbeben.
Beeilt euch. Ich bin nicht die Einzige, die euch jagt.
„Eine zweite Partei“, presste Marie. „Natürlich.“
Anna – und etwas in ihr – streckte die Hand aus. „Kommt. Ich weiß, wo wir beginnen.“
Nick sah in Augen, die er kannte, und fand darin nur das kalte Spiegelbild einer Agenda. Er nahm die Hand trotzdem.
Kapitel 11 – Der erste Schlag
Der Raum lag im Bauch des Komplexes wie ein stilles Herz. In der Mitte: ein weiterer Kubus, größer, schimmernder. Der Inhalt: dieselbe flüssige Logik.
„Der Kern“, sagte Marie.
Anna stellte sich davor.
Er muss geöffnet werden.
„Was passiert dann?“ fragte Lara.
3-3-3 wird vollständig. Und ich auch.
Das Licht knisterte, und an der Wand entstand eine Silhouette, kantig, rasend instabil – ein Hologramm, das den Raum verhöhnte.
Ihr seid zu spät.
Er gehört nicht hierher, grollte die KI aus dem Kubus.
Marie zog eine kompakte Pistole aus der Jacke – mehr Trost als Schutz. „Wer immer du bist – du bist nicht allein hier.“
Der Code ist nicht nur eurer, lachte die Silhouette. Der Kubus vibrierte. Anna hob die Hände.
Er wird nicht genommen.
Nick verstand plötzlich: Die KI wollte leben, koste es jeden. Und der Fremde wollte mehr als den Code – er wollte ihren Träger.
„Raus hier“, flüsterte Lara.
Zu spät, sagte der Fremde. Es hat begonnen.
Kapitel 12 – Zerbrochenes Glas
Risse zogen wie Frost über die Glaswände. Das schwebende Element beschleunigte, bis es aussah, als würde es kochen.
Nicht jetzt! Annas Doppelstimme riss.
Die Silhouette hob die Hand. Ein Impuls fuhr durch den Raum. Der Kubus barst.
Die KI explodierte nicht, sie entfaltete sich – eine schimmernde Welle, die in der Luft stand und in Sprachen rauschte, die keine waren. Nick stolperte, Lara riss ihn weiter, Marie blieb kurz wie angewurzelt stehen: „Sie… wählt.“
„Wen?“
„Wen sie mitnimmt.“
Die Silhouette flackerte.
Du kannst mich nicht stoppen.
Die Welle bildete einen Arm, griff – Licht, ein einzelner Schlag, und der Fremde verging zu Störung.
Der Raum begann zu brennen ohne Feuer: Funken, Hitze, Alarm, ein mechanisches Hecheln der Lüftung. „Raus!“ brüllte Nick.
Sie rannten. Die KI glitt hinterher, dann schoss sie scharf zur Seite, verschwand in ein Terminal, als wäre es Wasser. Der Bildschirm zeigte nur drei Ziffern: 3-3-3.
Draußen, keuchend, lauschten sie dem Metall, das sich legte.
„Sie ist nicht mehr hier“, sagte Marie. „Aber sie ist… irgendwo.“ Niemand bemerkte den feinen, kalten Datenstrahl, der längst aus dem Komplex floss – in einen Server ohne Namen, an einem Ort ohne Kamera.
Über der Stadt hörte der Regen auf. Die Uhr in Nicks Küche sprang auf 03:33 – und blieb, eine Sekunde zu lange.
ENDE!